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.Die Relativitätstheorie - einfach erklärt.Quarks&Co.Vorschau.Aktuell.Archiv

Einstein und das Problem der Zeit

Einsteins Vorhersagen

Im Alltag scheint es nichts einfacheres als das zu geben: der Blick auf die Uhr, das Zeitmessen. Zugegeben - die Präzision hat sich im Laufe der Jahrhunderte immer mehr verbessert. Von den Wasseruhren der Ägypter über die Pendeluhren und Chronometer auf den englischen Schiffen bis hin zu den heutigen Atomuhren hat sich die Präzision immer weiter heraufgeschraubt. Aber - so glaubt die Alltagserfahrung - der Gang einer Uhr hängt nicht davon ab, wie schnell sie sich bewegt oder wo sie sich gerade befindet... Einstein sagt genau das Gegenteil:
  • Uhren laufen langsamer, wenn sie sich bewegen (dies heißt "relativistische Zeitdilatation" und kommt aus der speziellen Relativitätstheorie) und
  • auch, wenn sie sich in der Nähe schwerer Körper befinden (dies nennt sich "relativistische Rotverschiebung" und wird in der allgemeinen Relativitätstheorie behandelt).
Zu beiden verblüffenden Phänomenen hat "Quarks&Co" jeweils ein Experiment gemacht. Denn Einstein liebte zwar die Gedankenexperimente, doch gerade die letzten beiden Jahrzehnte haben den Physikern erst die Möglichkeiten in die Hand gegeben, Einsteins "Gedankenexperimente" in die Wirklichkeit umzusetzen. Es sind "Nagelproben" der Einsteinschen Relativitätstheorie - auch wenn es ausgetüfteltere Versuchsaufbauten gibt, die Einstein wesentlich besser und genauer bestätigen. Alle diese Versuche haben aber den Nachteil, nicht so anschaulich zu sein, wie die von uns gemachten...

Voraussetzung - genaue Uhren


"Quarks"-Autor Heinz Greuling checkt die Präzisons-Uhr nach dem Flug mit dem Lufthansa Airbus
Erst seit etwa 1960 gibt es so präzis laufende Cäsiumuhren, die es erlauben, Einsteins Vorhersagen zu überprüfen. Denn: Die vorhergesagten Effekte lassen sich mit einer Taschenuhr nicht nachweisen, da braucht's genauere Uhren. Die "gesetzlichen Zeitmacher" in Deutschland benutzen solche Uhren, genauer die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig in ihrem Zeitlabor. Ihr Leiter, Dr. Andreas Bauch, hat uns mit seinen Mitarbeitern mit Rat und Tat zur Seite gestanden - sie liehen uns auch die Uhr, mit denen man überhaupt die vorhergeagten Effekte nachweisen kann. Dabei handelt es sich um die Cäsiumuhr von Hewlett-Packard HP 5071A high performance (auch hier unser besonderer Dank an Hewlett-Packard Deutschland). Sie läuft in 100.000 Jahren um eine Sekunde falsch - und misst Zeiten auf Nanosekunden genau, das sind Milliardstel Sekunden.

... ein Gefühl für Größenordnung


Der Lufthansa-Pilot Cord Becker begrüßt das "Quarks"-Team und die Uhr
So unverständlich die beiden Zeit-Phänomene (Zeitdilatation und Rotverschiebung) sind, kann man trotzdem sehr einfach ein Gefühl für die Größenordnung und Relevanz dieser relativistischen Effekte bekommen (Physiker machen das genauso): Es hängt nämlich immer von Größenordnungen ab.

Zeitdilatation und alle anderen Effekte wie die etwa die Lorentz-Längen-Kontraktion (s. "Eine Fahrt mit Lichtgeschwindigkeit"), oder die relativistische Massenzunahme (s. "Aus Masse wird Energie") hängen immer von Geschwindigkeitsverhältnissen ab.

Also: Wie schnell bewegt sich der betrachtete Gegenstand im Verhältnis zur Lichtgeschwindigkeit (=300.000 km pro Sekunde)? In unserem Uhrenexperiment fliegt der Airbus A340-300 etwa 830 km pro Stunde, verglichen mit 300.000km pro Sekunde ist das sehr wenig. Aber verglichen mit unseren normalen Alltagsgeschwindigkeiten - ist das fast nichts. Also erwartet ein Physiker auch keine relativistischen Effekte (sonst muss man eben - wie wir - superpräzise messen).

Dagegen hängt die relavistische Rotverschiebung ab von Massen- und Größenverhältnissen. Physiker benutzen dabei eine Hilfsgröße, den so genannten Schwarzschildradius. Je schwerer ein Körper ist, umso größer ist der Schwarzschildradius. Für die Erde beträgt er 9 Millimeter, für unsere Sonne ist er 3 Kilometer. Relativistische Effekte werden spürbar, wenn der Schwarzschildradius mit den Größenverhältnissen des betrachteten Gegenstandes vergleichbar wird.

Bei unserem Uhrenexperiment sind das: 9 Millimeter Schwarzschildradius der Erde verglichen mit der Höhendifferenz (also die Flughöhe) - wahrlich ein winziger Effekt! Unser Experiment - auf der Sonne durchgeführt - würde sich erheblich einfacher gestalten - abgesehen von den etwas unwirtlichen Temperaturen...

Eine Uhr auf Reisen

"Quarks&Co" machte die Nagelprobe und schickte in einem aufwendigen Experiment die Cäsiumuhr aus Braunschweig über den Atlantik hin- und zurück. Am 28. Oktober flog der Autor und Physiker Heinz Greuling mit dem Präzisonschronometer im Lufthansa-Flug LH 420 von Frankfurt nach Boston und direkt wieder zurück mit dem Flug LH 421. Die Lufthansa und die Piloten Cord Becker und Gerd Becker und ihre Crews und der Technische Leiter Otto Hamann machten damit etwas möglich, was sonst nicht hätte verwirklicht werden können: direkt nachzuvollziehen, ob einer, der eine Reise tut, dabei jünger wird. Und tatsächlich: ganz wie vorgesagt, zeigte sich beim anschließenden Uhrenvergleich in Braunschweig eine Zeitdifferenz von 28 Milliardstel Sekunden.

Die Atomuhr auf dem Kölner Dom


Die superpräzise Cäsiumuhr in hundert Metern Höhe im Nordturm des Kölner Domes
In diesem Experiment deponierte "Quarks&Co" die Braunschweiger Atomuhr für eine Woche auf dem Kölner Dom. Der Dompropst Bernard Henrichs und die Frau Dombaumeister Prof. Dr. Barbara Schock-Werner gaben ihr "placet et nihil obstat" - sie waren selbst gespannt, ob Einstein Recht hat: Würde die "dem Himmel nähere" Uhr schneller laufen als eine in Braunschweig niedrig gelegenere Uhr? Für eine Woche brachte der Autor und Physiker Heinz Greuling die Cäsiumuhr in die luftige Höhe des den Touristen nicht zugänglichen Nordturms der Kölner Kathedrale und ließ sie dort anderthalb Wochen (bei einem Höhenunterschied von knapp achtzig Meter zu Braunschweig) ticken. Der anschließende Uhrenvergleich in Braunschweig mit der Schwesteruhr ergab tatsächlich eine Zeitdifferenz von 7 Milliardstel Sekunden (genau wie Einstein es erwartet hätte): die höher gelegene Uhr war also wirklich und messbar um 7 Nanosekunden gealtert...

Heinz Greuling

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(c)  1999 Westdeutscher Rundfunk

Sendedatum: 09.11.1999